Eins vorneweg: Ich habe ihn kennengelernt! Jamie! In Berlin! Während der Präsentation seines neuen Kochbuches „Jamies Superfood für jeden Tag“. Yeah!
Back to the Naked Chef
Ich halte es in den Händen, sein Kochbuch Nummer 17, und suche nach dem Neuen, nach dem Besonderem. Er hat uns doch schon alles beigebracht: wie man Freunde bekocht, die ganze Familie ernährt, schnell kocht (in maximal 30 Minuten), noch schneller kocht (in maximal 15 Minuten), wie man italienische, spanische, griechische Gerichte zubereitet, wie man sich nachhaltig ernährt, dabei gesunde Zutaten verwendet, für die Seele kocht und so weiter.
Und dann lese ich, dass er die Foodfotos diesmal selbst geschossen hat. Da ich meine Gerichte auch stets mit meiner Handykamera festhalte, schau ich mir die Fotos im Buch genauer an. Sie wirken authentisch, erinnern mich an sein erstes Buch Kochen mit Jamie Oliver. Da sind die Fotos teils unscharf, nicht immer ausgeleuchtet und die Perspektiven manchmal etwas ungewöhnlich. Gefällt mir! Sein Erstlingswerk war die designmäßige Vorlage für mein erstes Kochbuch KINDERTELLER. Gerade die Art der Fotografie hatte mich inspiriert. Jamie während des Einkaufs, am Herd, bei Freunden – als wenn ein Kumpel neben ihm einfach mit der Kamera ein paar Schnappschüsse gemacht hat. Seit seinem zweiten Buch arbeitet Jamie mit dem Fotografen David Loftus zusammen, der auf perfektionistische Weise die einzigartig schöne – und ein wenig heile – Bilderwelt von Jamies Kochbüchern prägt. „Jamies Superfood für jeden Tag“ bricht mit dieser Entwicklung und führt Jamie zurück an seine Basis, als er als Naked Chef die Einfachheit der Zutaten und Zubereitung propagierte, was sich eben in den Fotos widerspiegelt. Im Einband nennt er es sein persönlichstes Buch. Ich bin gespannt!
Jose Guervara aus Costa Rica
Auf den ersten Blick ist das Buch geprägt von alten Menschen. Am Anfang sieht man Senioren, die kleine schwarze Tafeln in der Hand halten – mit ihrem Alter darauf in weißer Kreide geschrieben. Der älteste ist 106 Jahre alt. Weiter hinten im Buch erfährt man, dass es sich um Jose Guervara aus Costa Rica handelt, der zehn Kinder und über 100 Enkel hat. Jamie war bei der Vorbereitung des Buches 39 Jahre alt und wie alle vor dem 40igsten Geburtstag nachdenklich, wie es im Leben weitergeht. Ihm ist die Gesundheit ein Herzensanliegen und die Ernährung sein persönlicher Betrag dazu. Also machte er sich auf in ferne Länder, in denen Menschen älter werden als anderswo: nach Costa Rica, auf die griechische Insel Ikaria und nach Japan. In Gesprächen mit den Menschen hat Jamie viel über deren Lieblingsgerichte sowie deren Koch- und Lebensweisheiten erfahren. Und diese Erkenntnisse finden sich im Buch wieder, etwa über die „Macht der Proteine“, wie man einen Kater kuriert oder wie wichtig der Schlaf für unsere Gesundheit ist (dargestellt auf einer Doppelseite!). Dazu herrliche Fotos, zum Beispiel von einer Seniorengruppe auf der japanischen Insel Okinawa, die sich täglich um halb sieben treffen, um zur Radiomusik Gymnastikübungen zu machen.
Superfood braucht Superzutaten
Überhaupt ist es ein sehr gesundes Buch. Jamie hat die Rezepte gemeinsam mit einem Ernährungsteam entwickelt. Ich dachte bei Superfood gleich an Quinoa, Chia-Samen, Hirse, Kichererbsen, Schwarzwurzeln und Passionsfrüchte und sah mich mit einer nicht verständlichen Einkaufsliste im teuren Bio-Laden nur mit Hilfe der freundlichen Verkäufer die exotischen Leckereien finden. Eins ist klar: Wer Superfood essen möchte, braucht Superzutaten. Und da man heutzutage mit Rezepten wie Rührei mit Pilzen, Stampfgemüse oder Grünkohl mit Salami schwerlich einen Kochbuchbestseller landen wird – obwohl die Gerichte sehr gesund sind – fährt Jamie schon ein wenig mehr (internationale) Vielfalt bei den Zutaten auf. Aber keine Sorge: Es wird nicht zu exotisch. „Jamies Superfood für jeden Tag“ ist ein Kochbuch, bei dem für jeden Geschmack etwas dabei ist – übrigens auch Pilz-Rührei, Stampfgemüse und Grünkohleintopf.
Das Buch hat ein paar schöne Extras: Bei jedem Rezept stehen neben den üblichen Angaben zu Eiweiß, Fett, Kohlenhydraten und Kalorien auch der Anteil von Zucker und Ballaststoffen sowie die Zubereitungszeit. Damit man nicht über die Stränge schlägt, ist in allen Rezepten eine Kalorienbremse eingebaut: Die 30 Frühstücksrezepte haben weniger als 400 kcal, die Hauptmahlzeiten (je 30 Mittag- und Abendessen) weniger als 600 kcal pro Portion. Das ist praktisch. Und günstig: Durchschnittlich kostet kein Gericht mehr als 3,50 Euro pro Person.
Ich mach die Kugeln!
Aber nun wird gekocht, schließlich wollen wir das Buch testen. Wir, das sind Marie, Anna, Peter und ich. Da ich meine Kinder gesund ernähre, damit auch sie 100 Jahre alt werden, bin ich gespannt, ob sie sich für diese gesunden Gerichte erwärmen können. Jeder darf sich eins aussuchen. Ich auch. Gekocht wird gemeinsam.
Beim Durchblättern des Buches bleibt Peter bei den Energiekugeln hängen. Die muss er haben. Die Wahl zwischen Aprikose-Ingwer-Cashew und Datteln-Kakao-Kübiskerne trifft er zugunsten der Aprikose-Variante, nicht zuletzt deshalb, weil es im Untertext heißt: „enthalten superviel Kalium, das man braucht, damit die Muskeln gut funktionieren.“ Welcher Junge im Alter von fünf Jahren denkt nicht an seine Muskeln?
Die Zubereitung ist sehr einfach: Alles wird im Mixer kleingemacht und anschließend per Hand zu Kugeln geformt. Ich hatte Bedenken wegen der getrockneten Aprikosen und des frischen Ingwers. Aber beide Zutaten gehen geschmacklich wunderbar in den Energie-Kugeln auf, sodass Peter sie lustvoll knabbert. Allerdings habe ich anstatt der empfohlenen 4 cm nur die Hälfte der Ingwerwurzel verwendet.
Ich musste von den sieben benötigten Zutaten fünf einkaufen: Sesamsamen, gepuffte Quinoa, Ingwer, Lebkuchengewürz und Manuka-Honig. Nur Cashewkerne und Aprikosen hatte ich zuhause. Im Bio-Laden gab’s alles. An der Kasse realisierte ich aber erst zu welchem Preis. Der Manuka-Honig (aus Neuseeland) kostet im 250g-Glas stolze 24,99 Euro, die zwei Esslöffel fürs Rezept umgerechnet 4 Euro. Der Blick in Wikipedia entschädigt aber schnell: Die Maori verwendeten den Honig des Manuka-Baums zur Heilung von Wunden, Entzündungen und Infektionen. Also wirklich Superfood!
Vorsicht Fenchel!
Anna sucht sich auch ein Gericht mit Manuka-Honig aus: ein gesundes Frühstück mit Joghurt, Hafer- und Kokosflocken, Heidelbeeren, Mango und Banane, zum Würzen Limettensaft und dem Superhonig aus Neuseeland. Klingt gut und liefert ordentlich Ballaststoffe für den Start in den Tag. Ein ideales Kindergericht. Jamie holt noch mehr Aroma aus den Beeren, indem er sie in Mineralwasser und Rosenwasser (!) kochen und aufplatzen lässt. Auch das ist eine schöne Variation.
Eine Zutat verdirbt den Kindern leider den Appetit: die Fenchelsamen. Mag sein, dass sie fein gemahlen eine Geschmacksabrundung dargestellt hätten. Wir haben sie nach Rezept mit den Hafer- und Kokosflocken in der Pfanne geröstet. Weder die kleine Mango, die halbe Banane, noch die 2 gehäuften Esslöffel Joghurt können die Bitterstoffe von 1 gestrichenem Teelöffel Fenchelsamen neutralisieren. Deshalb in der Familienküche vorsichtig mit diesem Gewürz umgehen.
Endlich mal Quinoa!
Kinder sind zwar stets neugierig und abenteuerlustig. Beim Essen gilt dies nur eingeschränkt. Meine Kinder probieren zwar gerne neue Desserts oder Smoothies, beim Hauptgang sind sie erstaunlicherweise eher konservativ. Mit Engelszungen versuchte ich vor einigen Wochen ihnen Süßkartoffel-Pommes schmackhaft zu machen – mit Erfolg. Aber in der Regel ziehe ich den Kürzeren. Lustigerweise sucht sich Marie den Quinoa-Mais-Salat aus, da ihr das Foto so gut gefällt. Hätte sie die Zutatenliste gelesen, hätte sie vermutlich weitergeblättert: Quinoa, Avocado, Chilischote, Feta und Koriander. Allerdings sind auch Mango, Tomaten, Mais und Räucherspeck drin. In Kombination eine superleckere Mischung. Und ich habe endlich auch mal Quinoa probiert. Wird nicht das letzte Mal gewesen sein.
Supersuppe
Ich liebe Grünkohl mit „Pinkel“ (geräucherte Wurst), bin damit aber leider in meiner Familie der Einzige. Umso mehr freue ich mich, als ich dieses Gericht unter dem Namen „Grüne Supersuppe“ im Buch finde. Ich bin sogar noch mutiger und kaufe statt des Grünkohls im Bio-Laden Schwarzkohl. Mit dieser Zutat habe ich noch nie gekocht. Eins vorneweg: Es schmeckt großartig! Nur Peter lässt sich erwartungsgemäß nicht dafür erwärmen. Als Wursteinlage gibt’s Chorizo, die wir aus unseren Andalusienurlauben kennen und lieben. Den leckeren Unterschied zu einem normalen Grünkühleintopf bilden die Kichererbsen. Die Kartoffeln werden wegen der Nähr- und Ballaststoffe mit Schale gekocht, und auf Salz verzichtet Jamie beim Superfood ohnehin gerne – hier auch. Sehr zu empfehlen, die Supersuppe!
Und? Hat’s geschmeckt?
Fassen wir zusammen. Die dreiköpfige Kinderjury vergibt bei maximal drei Punkten je Gericht:
- 3 Punkte für die Energiekugeln
- 0 Punkte für den Haferflocken-Mango-Joghurt
- 3 Punkte für den Quinoa-Mais-Salat
- 2 Punkte für die grüne Supersuppe
Macht zusammen 8 von 12 Punkten.
Fazit: „Jamies Superfood für jeden Tag“ ist kein typisches Familienkochbuch, beinhaltet aber jede Menge gesunder und leckerer Gerichte auch für Kinder. Wer auf deren Geschmäcker achtet und „kritische“ Zutaten auslässt oder austauscht, hilft ihnen, mit 106 Jahren vielleicht noch so lebendig auszusehen wie Jose Guervara aus Costa Rica.
Übrigens: Für Juli 2016 hat der DK Verlag die Erscheinung der deutschen Ausgabe von Jamie Olivers Super Food Family Classics angekündigt. Mit gesunden Gerichten für die ganze Familie. Das wird Peter freuen.
Die Fotos sind von Kirsten und Michael König. Weitere Lieblingsrezepte für Kinder hat Michael König in seinem Kochbuch KINDERTELLER – Leckere Kochrezepte für Kinder gesammelt.
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